Gestern war es soweit, der Besuch auf dem Oktoberfest unter dem weiss-blauen Himmel in Echt München stand an.
Die SIM gehört Lislo Mensing und ist ein sehr detailliertes Abbild von München. Zu denn kleinen Highlights gehört beispielsweise eine Stadttour in einer fliegenden Kapsel, die die zahlreichen, in der Stadt verteilten Brunnen anfliegt, und im Textchat Informationen dazu bereit hält.
Nun, meine Einstellung zu Volksfesten habe ich gestern schon preisgegeben, doch nun musste ich beruflich her.
Uns ist ein Platz im Pressezelt zugewiesen worden, den es noch mit Inhalt zu füllen galt, also packte ich einen Pappkarton ein, klebte einen Avameo Aufkleber drauf, füllte ihn mit ein paar Bierkrügen, die noch in meinem Inventar rumlagen und begab mich auf die Wiesn.
Den Pflichtteil hatte ich so erfüllt, um endlich in den Genuss eines virtuellen Wiesnbiers zu kommen, auch wenn ich mich dem Gefühl einer gewissen Schäbigkeit nicht erwehren konnte, dass der lieblos improvisierte Pappkarton bei mir verursachte. Meine einzige reelle Chance, dieses Gefühl loszuwerden, lag im Strudel bayuvarischer Unterhaltung, erzeugt aus Unmengen des virtuellen Gebräus.
Auf den Wiesn traf ich Zaphod Enoch wieder, der zusammen mit seiner Frau Annabella Biedermann, Ralfi Beaumont und dem Inselbesitzer Lislo Mensing die ganze Festivität organisiert hat. Nachdem ich meinen Pappkarton im Pressezelt losgeworden bin, hatte ich eigentlich vor, mich dem grenzenlosen, virtuellen Vergnügen hinzugeben, und den Rausch bayrischer Kultur zu erleben. Zaphod machte mir einen Strich durch de Rechnung. „Bei den Krügen… da stimmt was mit dem Script nicht…“
Können Avatare schwitzen?
Meiner konnte es! Die volkstümliche Stimmung zerrte schon an meinen Nerven, und nun sollte ich mich mit virtuellem Neuland auseinander setzen, dem auf räumliche Art nicht beizukommen war?
Ich bin virtueller Reisender, Berichterstatter, Abenteurer und Coach… kein Handwerker! Zaphod war das wohl irgendwie bewusst. Nachdem ich aufgehört habe, Fragen zu seinen Reparaturanweisungen zu stellen, und endlos lange brauchte, um einen der Krüge auf dem Boden zu rezzen, erlöste er mich aus dieser peinlichen Situation virtueller Hilflosigkeit. „Gib mir das alles mal, ich bau euch was“.
Es gibt also doch ein Licht am Ende des Tunnels.
Mit sagenhafter Leichtigkeit verwandelte er meinen Pappkarton in ein hochwertiges Dekorationselement, versah meinen Bierkrug mit einem Logo, Scripten und packte Links zum 2D-Internet dort hinein, wo sie hingehörten, während ich mich endlich der Qualitätssicherung besagter Bierkrüge zuwenden konnte.
Das entsprach nun eher meiner Vorstellung von Pressearbeit: Der Veranstalter schuftet, während dessen die Journalisten versuchen, mit Hilfe der ortsüblichen Rauschmittel auch einen geistigen Zugang zu den alten Traditionen und Bräuchen zu bekommen.
Nach kurzer Zeit war Zaphod fertig, unsere Repräsentanz stand, und mein Gefühl von Schäbigkeit war verflogen.
Danke Zaphod Enoch!
Derart erleichtert beschloss ich, mich nun dem Geschehen auszuliefern, mich treiben zu lassen zwischen rustikalen Dekorationen, futuristischen Fahrgeschäften und den fremdartigen Klängen der Alpen.
Und es packte mich mit der Kraft einer alpenländischen Lawine. Avatare tauchten auf, erwarben für ein paar Linden ihre Trachtenoutfits, um ein Teil des Geschehens zu werden, andere, die Fahrgeschäfte nutzen und sich Wettkämpfen an der Schiessbude hingaben, verliehen dem Ganzen gerade durch ihre Andersartigkeit ein unwiderstehliches Flair.
Immersion in der Immersion.
Ich habe sie erst erkannt, als ich durch den Besuch zweier Freundinnen aus der Oktoberfest-Immersion herausgerissen wurde, mich aber immer noch stabil in der SL–Immersion bewegte.
Ein kurzes Hallo, ein gemeinsames virtuelles Bier aus dem Avameo-Krug, dann mussten die beiden weiter, und ich tauchte wieder in das Geschehen ein, das mittlerweile einem weiteren Highlight entgegenstrebte.
Dem Liveauftritt von Franz Paine!
Die Modenschau, die eigentlich um 20:00 Uhr stattfinden sollte, wurde leider abgesagt, dafür hatte sich Franz Paine bereiterklärt, seinen Auftritt auf dem Marienhof entsprechend zu verlängern.
Franz tritt als Musiker in SL auf, singt und begleitet sich dabei nicht nur virtuell auf einem Klavier.
Geschickt hat er es verstanden, sich in die Atmosphäre aus virtueller Hi-Tech Tradition zu integrieren, und, mit seinen Gesang und dem Klavier, die buntgemischte Partymeute in Extase zu versetzen.
Verdichtet wurde das alles durch die liebevollen Kleinigkeiten, die man eigentlich nicht vermissen würde, wenn es sie nicht gäbe.
Beispielsweise gab es, mit Scripten versehene Feuerzeuge, gratis am Rand der Tanzfläche, damit die Avatare sie zu entsprechender Musik über dem Kopf schwenken konnten.
Franz Paine überzeugte mich mit seinem unglaublichen Charme davon, dass man Metallica auf dem Klavier spielen kann, und dass im Voicechat zu den Chrashtest Dummies “Hmmm hmmm hmmm…” gesummt werden kann!
Grob überflogen tummelten sich ca. 40 Gäste in der Nähe der Tanzfläche, die wie eine gigantische Discokugel im virtuellen Abendhimmel, die Nachtschwärmer anzieht.
Doch leider geriet die SIM, wie am Vorabend, offensichtlich an ihre Grenzen, denn meine Verbindung wurde unterbrochen, und ich aus der Immersion gelöst.
Den Rest des Abends habe ich so leider nicht miterlebt, doch habe ich noch einen Gast gefunden, der auf keinem Realen und scheinbar auch virtuellem Fest fehlen darf…. Ein Vertreter der staatlichen Trachtengruppe :-D
Alles in Allem muss ich gestehen, dass sich meine Abneigung bezüglich Volksfesten, zumindest was die Virtuellen angeht, in einen Hauch von Nichts aufgelöst hat.
Dazu beigetragen haben natürlich Zaphod Enoch, seine Frau Annabella Biedermann, Franz Paine und alle Besucher, die an diesem Abend durch ihre Anwesenheit und Aktivität, ein tolles Fest veranstaltet haben!